„Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ – Bernd Höcke

Welcher deutsche Satiriker, hat in seinem Steckbrief unter „haßt“ folgendes geschrieben: Das Militär; die Vereinsmeierei; Rosenkohl; den Mann, der immer in der Bahn die Zeitung mitliest; Lärm und Geräusch; „Deutschland“? Ich verrate es Ihnen, es war nicht Deniz Yücel, sondern Kurt Tucholsky. Die Leute, die im Neuen Tag zuletzt in Leserbriefen ihren Hass auf Yücel ausgedrückt haben, werden mit diesem Namen zwar nichts anfangen können, ihnen sei aber versichert, dass die Eltern Tucholskys mit Vornamen „Alex“ und „Doris“ hießen. Seltsamerweise lese ich erstaunlich wenige Kommentare, die Kurt Tucholsky aus dem Deutsch-Unterricht verbannen wollen. Die deutsche Regierung hat sogar seit 73 Jahren nicht mehr offiziell seine Werke gerügt! Skandal! Diese Kommentare der Herren U. und W., welche zuletzt im Neuen Tag zu lesen waren, spiegeln so vieles von dem wider, was derzeit hierzulande falsch läuft.

 

Da wäre zum einen diese selektive Wahrnehmung. Herr U. malt sich aus, was passieren würde, wenn hierzulande jemand Schmutz über die Türkei schriebe. Dann wird man nämlich belangt! Wegen „Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Nationalsozialismus“! Wer erinnert sich auch nicht daran, weswegen Jan Böhmermann nach seinem Erdogan-Gedicht belangt wurde. Da war wieder diese neuerliche 68er-links-grün-versiffte Gutmenschenrechtsprechung aus dem Kaiserreich am Werk! Deswegen ist Böhmermann heute auch bei den kaisertreuen Linken unten durch.

 

Dass eine türkische Abstammung, oder wie es Herr U. nennt „Halbtürke“, einen Menschen sofort zum Islamisten macht, ist eine geradezu witzige Feststellung. Damit war das Oströmische Reich zum großen Teil islamistisch und am 6. Dezember bringt ein Islamist den Kindern Mandarinen. Offenbar sind in den Köpfen einiger Menschen diejenigen, die nicht den eigenen feuchten Traum vom deutschen Vaterland teilen entweder Islamisten oder stehen unter Kommunismusverdacht. Da hilft es auch nichts, wenn Yücel, etwa zu den Charlie Hebdo-Anschlägen in der Welt schrieb: „Genauso unerträglich ist die Formel, die Morde in Paris hätten nichts mit dem Islam zu tun […]. Denn den Islam gibt es nicht, der Islam ist die Summe dessen, was diejenigen, die sich auf ihn berufen, daraus machen. Und was ein nennenswerter Teil daraus macht, ist Barbarei.“

 

Alice Weidel hat dazu ja den Vogel abgeschossen, schreibt auf Twitter, Yücel sei weder Journalist, noch Deutscher. Deutschland, das ist offenbar kein Staat, in dessen Verfassung Pressefreiheit garantiert wird und eine willkürliche Ausbürgerung explizit verboten wird. Die deutsche Nationalität haben nur Menschen, die eine Frau aus der Schweiz und der Mob im Internet als deutsch genug definieren. Was damit wohl eigentlich gesagt werden soll, ist, dass sich das Deutsch-Sein ausschließlich nach Blut und Boden auszurichten hat und eine erschreckende Zahl an Menschen scheint dieser ach so deutschen Auffassung heutzutage immer noch anzuhängen. Die Willkür hierbei ist heute wie damals die gleiche. Alexander Gauland möchte Deutsche in Anatolien entsorgen, wer aus Österreich - Ostmark, für die Älteren - stammt, ist für ihn aber Deutscher. Um noch einmal Tucholsky zu zitieren: „Die Nation ist der Abfalleimer aller Gefühle, die man anderswo nicht unterbringen kann.“

 

Man muss sich die Absurdität der Situation einmal vor Augen führen. Ein Satire und eine Abstammung sind genug, dass man einem in Deutschland geborenen Journalisten einer konservativen Tageszeitung die Nationalität abspricht. Nein, um Deutschland beleidigen zu dürfen, muss man Kurt Tucholsky heißen, oder besser noch Karl Müller. Tucholsky war nämlich auch irgendwann nicht mehr deutsch genug. Er verübte Selbstmord, staatenlos im schwedischen Exil. Die Nazis hatten ihm seine Nationalität aberkannt. Und diese bösen deutschen Geister sind nach wie vor da.

 


von Johannes Stahl

Jusos Weiden i.d. Oberpfalz

 

Dieser Text ist eine Reaktion auf die Leserbriefe im Neuen Tag, welche sich gegen Deniz Yücel richtete, und ist in gekürzter Version abgedruckt worden.