Es gibt kein ruhiges Hinterland! – Rechtsrockkonzerte in Schwandorf verhindern!

Die Oberpfälzer Neonazi-Szene ist im Aufwind und damit geht auch mehr Gefahr von ihr aus. Wir müssen alle alarmiert sein und konsequent auf allen Ebenen handeln!

 

Eine Bestandsaufnahme von Julian Bäumler

Abermals mutmaßliche Terrorzelle aufgeflogen

Am 01.10.2018 wurde bekannt, dass auf Weisung des Generalbundesanwalts eine Gruppe von insgesamt sieben Personen in Sachsen und Bayern aufgrund des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung festgenommen wurde. Ihnen wird vorgeworfen, nach den rechtsradikalen Unruhen in Chemnitz die terroristische Gruppe „Revolution Chemnitz“ gegründet zu haben. Laut derzeitigem Ermittlungsstand sollen sie Anschläge auf Menschen mit Migrationshintergrund und politische Gegner*innen geplant haben. Die Pläne waren offenbar schon weit fortgeschritten: Waffen sollten beschafft werden und als möglicher Tatzeitpunkt war der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2018 im Gespräch. In abgehörter Kommunikation soll von den Verdächtigen auch der Wunsch geäußert worden sein, die Taten des NSU zu übertreffen (1). Die Planung derart schwerer Straftaten von Personen aus dem Raum Chemnitz muss im Kontext der rechten Mobilisierung, der gewalttätigen Übergriffe der letzten Wochen und der Verharmlosung derselben durch Politiker*innen und Behördenangehörige gesehen werden.

Das erneute Auffliegen einer mutmaßlichen rechten Terrorgruppe zeigt abermals, dass eine der größten Gefahren für unseren demokratischen Rechtsstaat von rassistischen und faschistischen Gruppierungen ausgeht. Jedoch hat die Vergangenheit leider gezeigt, dass sich die Zivilgesellschaft nicht darauf verlassen darf, dass derartige Gruppen von den Behörden rechtzeitig entdeckt werden, bevor sie zur Tat schreiten. Zivilgesellschaftliches wie behördliches Handeln muss bereits im Vorfeld ansetzen. Es fällt auch auf, dass Rechtsradikale insbesondere dann zu Taten schreiten, wenn ein gesellschaftliches Klima der Gleichgültigkeit oder gar der indirekten Unterstützung gegenüber rechtsradikalen Tendenzen vorherrscht. Dazu gehört etwa die Abwesenheit von Gegenveranstaltungen zu rassistischen Aufmärschen, keine oder nur geringe Gegenwehr zu und Strafverfolgung von rechtsradikalen Straftaten und natürlich die Unterstützung rechtsradikaler Positionen durch Parteien wie die AfD.

 

Potentielle Täter*innen fühlen sich in einem solchen Klima darin bestätigt, ihre Ideologie in die Tat umzusetzen. Als weiteres Beispiel lässt sich neben dem aktuellen Fall in Chemnitz die „Gruppe Freital“ anführen. Nach mehrmonatiger rechtsradikaler Mobilisierung in der sächsischen Kleinstadt Freital begangen Neonazis dort im Jahr 2015 mehrere Sprengstoffanschläge auf Asylunterkünfte und politische Gegner*innen (2). Auch wenn in der Oberpfalz in den letzten Jahren vergleichsweise wenige Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund bekannt wurden, zeigen mehrere aktuelle Beispiele, dass auch in der hiesigen Region Rechtsradikale zunehmend offener und teilweise auch militanter auftreten. So nahm der rechtsradikale Ex-Bundeswehrsoldat Franco A., gegen den ebenfalls Ermittlungen der Bundesanwaltschaft laufen, an Veranstaltungen eines Schützenvereins in Vohenstrauß teil und ein weiterer Bundeswehrsoldat aus Oberviechtach steht der verfassungsfeindlichen Identitären Bewegung nahe (3). Auch versuchte die rechtsradikale Vereinigung „Aryan Brotherhood Eastside“ ein Vereinsheim in Altenstadt an der Waldnaab zu eröffnen, was jedoch verhindert wurde (4).

Vor kurzem zeigten Recherchen des Blogs „Zeit-Störungsmelder“ und des Journalisten Jan Nowak, dass eine rechtsradikale Gruppe namens „Prollcrew Schwandorf“ im Raum Schwandorf vermehrt Veranstaltungen durchführte. Im Folgenden soll ein Überblick über diese Gruppe, ihre Aktivitäten und ihr Netzwerk gegeben werden.

 

Die „Prollcrew Schwandorf“

Bei der „Prollcrew Schwandorf“ handelt es sich um eine neonazistische Gruppierung im Raum Schwandorf, welche sich nach außen als unpolitisch inszeniert. In der Eigendarstellung wird dabei die Liebe zum Fußball, aber auch die eigene Gewaltaffinität in den Vordergrund gestellt. Sie existiert seit dem Jahr 2012; der Entstehungszeitraum geht einher mit dem Ende der Aktivitäten der ebenfalls neonazistischen Kameradschaft „Widerstand Schwandorf“ (5). Die neonazistische Szene in der Region um Schwandorf muss rückblickend als besonders gewalttätig und aktiv angesehen werden. Erwähnt sei an dieser Stelle der rassistisch motivierte Brandanschlag vom 17. Dezember 1988 in Schwandorf, bei dem vier Menschen ums Leben kamen (6). Die „Prollcrew Schwandorf“ tritt besonders konspirativ auf, legt jedoch gleichzeitig großen Wert auf Selbstinszenierung auf der Plattform Facebook. Dabei versucht man keinen typisch neonazistisch-kameradschaftlichen, sondern subkulturellen Eindruck zu vermitteln (5). Anleihen bei rechtsextremen Hooligangruppierungen und dem Stil der sogenannten „Autonomen Nationalisten“ sind dabei klar zu erkennen. Die Zahl der Mitglieder wuchs in den letzten Jahren an und dürfte 20 Personen überschreiten. Einige Mitglieder sind in der Vergangenheit schon bei neonazistischen Veranstaltungen, etwa in Wunsiedel, aufgefallen. Ideologisch ist zu der Gruppe bisher wenig bekannt; ihre Aktivitäten deuten jedoch auf eine sehr gute Vernetzung im neonazistischen Milieu hin (5).

 

Aktivitäten und Kontakt zu „Blood and Honour“

Nach eigenen Angaben führt die Gruppierung regelmäßig gemeinsame Fahrten innerhalb Deutschlands und ins europäische Ausland durch. Am 29. April 2016 war ein Teil der Gruppe bei einem Konzert anlässlich einer Jubiläumsfeier des slowenischen „Blood and Honour“-Ablegers (5). Das international aktive „Blood and Honour“ Netzwerk wurde im Jahr 2000 in Deutschland verboten, ist jedoch mit seinem bewaffneten Arm „Combat 18“, wie Recherchen belegen, seit einigen Jahren auch wieder in Deutschland aktiv (7). Auch bei dem vom Nordoberpfälzer Neonazi Patrick Schröder am 07. Mai 2016 mitorganisierten Rechtsrock-Festival „Rock für Identität“ und bei dem am 15. Juli 2017 stattgefundenen „Rock gegen Überfremdung“ in Themar waren Mitglieder der „Prollcrew“ anwesend, teilweise in einheitlicher Kleidung (5,8). Hinweise auf eine Teilnahme einzelner Mitglieder an dem „Tag der Ehre“ am 13. Februar 2018 in Budapest deuten ebenfalls in die Richtung von „Blood and Honour“. Der ungarische Ableger war an der Organisation dieser Szeneveranstaltung beteiligt (9).

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass besagte Schwandorfer Neonazigruppe sich nun auch in der Region um Schwandorf selbst aktiv zeigt, darunter auch die Durchführung von mindestens zwei Konzerten. Das erste bekannte Konzert fand nach Recherchen des Journalisten Jan Nowak im Dezember 2017 im Schwandorfer Ortsteil Klardorf statt. Dabei trat der Neonazi Martin Böhne auf, Teil der Bands „Sleipnir“ und „Oidoxie“. „Oidoxie“ spielt eine zentrale Rolle für „Blood and Honour“ und „Combat 18“ und stellt in den eigenen Texten einen direkten Bezug zu diesen Netzwerken her (9). Dies verdeutlicht abermals die Nähe der Schwandorfer Neonazis zu „Blood and Honour“. Am 14. April 2018 fand in Steinberg am See das zweite Konzert mit der Band „Germanium“ statt. Bei beiden Konzerten waren etwa 80 Besucher anwesend (9).

 

Jetzt handeln!

Über die letzten Jahre hat sich im Raum Schwandorf, von Zivilgesellschaft und Behörden weitgehend unbemerkt, eine rechtsradikale Gruppe etabliert, die sich durch eine hohe Gewaltaffinität, beste Kontakte in die deutsche und europäische rechtsradikale Szene bis hin zu „Blood and Honour“ und durch ein konspiratives Vorgehen auszeichnet. Die Organisation eigener Konzerte mit überregionalem Publikum durch die „Prollcrew Schwandorf“ stellt einen ersten Höhepunkt in den Aktivitäten der Gruppe dar.

Die Sicherheitsbehörden scheinen über die Gruppe kaum Erkenntnisse zu haben. So ist diese im Verfassungsschutzbericht Bayerns aus dem Jahr 2017 nicht aufgeführt (10) und die Staatsregierung antwortet auf eine kleine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian Ritter lediglich mit wenigen, frei verfügbaren Informationen (11).

Die Gefahr, die von der Gruppe und ihren Aktivitäten ausgeht, scheint bislang klar unterschätzt zu werden. Die propagierte Gewaltverherrlichung und die Durchführung von Rechtsrockkonzerten können als Brandbeschleuniger für rechtsextreme Gewalttaten wirken. Nicht selten folgen Aufrufen zur Gewalt auch entsprechende Taten. Das subkulturelle Auftreten der Gruppe könnte insbesondere Jugendliche ansprechen und diese so an die neonazistische Szene heranführen. Nicht zuletzt besteht die Gefahr, dass sich in der Oberpfalz ein Treffpunkt für Neonazikonzerte, ähnlich wie in den Städten Ostritz und Themar, etabliert. Wie eingangs dargelegt, dürfen wir nicht warten, bis sich gewalttätige oder gar terroristische Gruppen formieren. Sowohl der Staat als auch die Zivilgesellschaft müssen verhindern, dass es zur Bildung von Gruppen wie in Freital oder in Chemnitz kommt. Es darf in der Oberpfalz kein gesellschaftliches Klima geben, in dem sich Neonazis wohl und zu Gewalt ermutigt fühlen.

 

Es ist daher dringend notwendig, konsequent und schnell auf verschiedenen Ebenen zu handeln.

  1. Wir fordern die bayerische Landesregierung und die ihr nachgeordneten Behörden auf, mit allen verfügbaren rechtsstaatlichen Mitteln gegen die sogenannte „Prollcrew Schwandorf“ vorzugehen. Gegenüber gewaltverherrlichenden Rechtsextremisten darf es kein inkonsequentes Verhalten und keine Zurückhaltung geben. Dazu gehört, sofern möglich, Veranstaltungen der Gruppe zu verhindern bzw. Straftaten im Umfeld von Aktivitäten der Gruppe vorzubeugen.
  2. Wir fordern das bayerische Innenministerium auf, ein mögliches Verbot der Vereinigung zu prüfen und Informationen zu von Mitgliedern der Gruppe begangenen Straftaten, sowie auch Informationen zu Verbindungen der Gruppierung „Prollcrew Schwandorf“ zu Akteuren der in Deutschland verbotenen Vereinigung „Blood and Honour“ zu sammeln.
  3. Wir fordern die SPD in der Oberpfalz und in Bayern dazu auf, die von der Gruppe ausgehende Gefahr auch im bayerischen Landtag zu thematisieren, etwa in Form von Anfragen an die Staatsregierung. Des Weiteren sollen Parteimitglieder und insbesondere Lokalpolitiker*innen im Raum Schwandorf auf vergangene und mögliche zukünftige Aktivitäten der Gruppe hingewiesen werden.
  4. Das Landratsamt Schwandorf, die Stadt Schwandorf sowie die Kommunen im Landkreis Schwandorf müssen über die neonazistische Gruppe sowie ihr gewalttätiges Potential aufgeklärt werden. Des Weiteren sollen die zuständigen kommunalen Behörden bereits im Vorfeld weiterer Aktivitäten und etwaiger Konzerte prüfen, welche Möglichkeiten zur Verhinderung ebensolcher, etwa im Rahmen des Versammlungsrechts, möglich sind.
  5. Die Staatsregierung soll offenlegen, welche Informationen ihr zu der Gruppierung „Prollcrew Schwandorf“ vorliegen. Dabei sollen insbesondere Informationen zu Straftaten, zu dem Personenpotential, zu der Vernetzung in die neonazistische Szene in Deutschland und Europa und zu vergangenen Aktivitäten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sollten den bayerischen Behörden Informationen zu geplanten rechtsextremen Veranstaltungen, unter anderem Konzerte und Festivals, vorliegen, so ist die Bevölkerung darüber zu informieren. Ist eine Verhinderung dieser Veranstaltungen aus rechtlichen Gründen nicht möglich, so ist es an der Bevölkerung, mit zivilgesellschaftlichem Protest zu reagieren.

Diese Maßnahmen können jedoch nur ein Anfang sein. Es ist nach wie vor an uns allen, aktiv zu werden und zu zeigen: Für Rassist*innen und Neonazis darf es kein ruhiges Hinterland geben: Weder in Chemnitz oder Freital in Sachsen, noch bei uns in der Oberpfalz!


Julian Bäumler

Vorstandsmitglied der Jusos Nordoberpfalz